Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag trennt sich von Microsoft 365 und setzt stattdessen auf eine europäische Open-Source-Software-Suite namens openDesk.
Die bahnbrechende Entscheidung, über die erstmals Ende Oktober das deutsche Handelsblatt berichtete, unterstreicht eine wachsende Bewegung europäischer Institutionen, ihre Abhängigkeit von US-amerikanischen Technologiegiganten zu verringern.
Diesem strategischen Wandel ging eine Zeit intensiven geopolitischen Drucks voraus. Die Bedenken beim Internationalen Strafgerichtshof eskalierten, nachdem dessen Chefankläger aufgrund von US-Sanktionen vorübergehend von seinem Microsoft-Konto ausgeschlossen wurde.
Zendis, ein deutsches Staatsunternehmen, das mit dem Aufbau der „digitalen Souveränität“ Europas beauftragt ist, liefert die neue Software des Gerichts openDesk.
Microsoft erklärte Anfang des Jahres, dass es seine Beziehung zum Gericht schätzt und kein Hindernis für die Bereitstellung zukünftiger Dienste sieht.
Ein geopolitischer Bruch? Warum der IStGH US-Technologie aufgibt
Aus Angst vor politischem Druck aus Washington hat der Internationale Strafgerichtshof einen entscheidenden Schritt unternommen, um seine digitale Kerninfrastruktur von amerikanischer Technologie zu trennen.
Die Ersetzung von Microsoft 365 auf seinen rund 1.800 Workstations ist das Ergebnis einer Reihe politisch brisanter Ereignisse, die die grundlegenden operativen Schwachstellen des Gerichts offengelegt haben. Für ein internationales Rechtsorgan, das mit hochsensiblen Informationen umgeht, wurden solche Abhängigkeiten zu einem inakzeptablen Risiko.
Die Spannungen eskalierten im Mai 2025 dramatisch Es tauchten Berichte auf, dass Chefankläger Karim Khan von seinem Microsoft Outlook-Konto ausgeschlossen wurde.
Dies geschah, nachdem die Trump-Administration, ein häufiger und lautstarker Kritiker des Gerichts, Sanktionen gegen ICC-Beamte verhängt hatte.
Während Microsoft stellte später klar, dass Khan es war Obwohl das Unternehmen von seinen Diensten „abgekoppelt“ wurde, bestand es darauf, dass sein umfassenderes Dienstleistungsabkommen mit der ICC-Organisation niemals unterbrochen wurde. Dennoch diente der Vorfall als Warnung und zeigte, wie geopolitische Streitigkeiten direkt zu Betriebsstörungen führen können.
Betreten Sie openDesk: Die europäische Alternative zum Microsoft-Ökosystem
Das Herzstück der Umstellung ist openDesk, eine Software-Suite zusammengestellt von der deutschen Staatsfirma Zendis.
OpenDesk ist kein einzelnes Produkt, sondern eine kuratierte Sammlung etablierter, unternehmenstauglicher Open-Source-Anwendungen. Es stellt eine direkte Herausforderung für das von Microsoft perfektionierte All-in-One-Modell dar und bietet einen modularen Ansatz zum Aufbau eines digitalen Arbeitsplatzes.
In der Suite befinden sich in Europa gehostete Alternativen für die Kernfunktionen von Microsoft 365.
Collabora Online bietet eine voll ausgestattete Office-Suite für Dokumente und Tabellenkalkulationen und konkurriert direkt mit Word und Excel. Für E-Mail und Kalender verwendet die Suite die Open-Xchange (OX) App Suite, während Nextcloud robuste Cloud-Speicher-und Dateifreigabefunktionen bereitstellt.
Zendis integriert diese Komponenten und arbeitet unter einem ausdrücklichen Auftrag von Das Bundesinnenministerium will die digitale Autonomie des Landes stärken.
Durch die Wahl dieses Open-Source-Wegs verändert der ICC nicht nur die Softwareanbieter; es befürwortet eine andere Philosophie der Technologiebeschaffung. Dieser neue Ansatz legt Wert auf Transparenz und Kontrolle und priorisiert die Isolierung vor den politischen Launen einer ausländischen Regierung gegenüber dem tief verwurzelten Ökosystem, das Microsoft aufgebaut hat.
Ein Zeichen für die Zukunft? Europas Drang nach digitaler Souveränität
Für Microsoft ist der Verlust des IStGH weniger ein finanzieller Schlag als vielmehr ein symbolischer Bruch in der Festung seiner Unternehmenskunden. Als eines der bekanntesten Beispiele für „digitale Souveränität“ in der Praxis spiegelt die Entscheidung des Gerichts ein Konzept wider, das im europäischen öffentlichen Sektor zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Es signalisiert den wachsenden Wunsch der Regierungen, sicherzustellen, dass ihre kritische digitale Infrastruktur nicht den Gesetzen und dem politischen Druck anderer Nationen unterliegt.
Dieser Schritt steht in direkter Konfrontation mit der starken Anbieterbindungsstrategie, die Microsoft zu einem fast 4 Billionen US-Dollar schweren Unternehmen gemacht hat, und stellt ein bewährtes Geschäftsmodell in Frage.
Seit Jahrzehnten stellt Der Technologieriese hat seine Produkte meisterhaft in die Kerngeschäfte von Unternehmen und Regierungen integriert und dadurch immense Umstellungskosten verursacht, die einige Analysten als „dreischichtigen Burggraben“ aus tief verwurzelten Benutzergewohnheiten, Architekturabhängigkeiten und Infrastrukturbindung bezeichnen.
Die Bereitschaft des ICC, eine zweifellos komplexe Migration durchzuführen, könnte andere öffentliche Einrichtungen ermutigen, ähnliche Alternativen in Betracht zu ziehen. Ein solcher Trend ist besonders wahrscheinlich, da Big Tech einer zunehmenden Prüfung ihrer Marktmacht und aggressiven Preisstrategien ausgesetzt ist.
Microsoft reagierte seinerseits mit einer ruhigen und maßvollen Stellungnahme. Ein Sprecher sagte Euractiv: „Wir schätzen unsere Beziehung zum ICC als Kunde und sind überzeugt, dass nichts unsere Fähigkeit behindert, auch in Zukunft weiterhin Dienstleistungen für den ICC bereitzustellen.“
Die Aussage des Unternehmens legt nahe, dass dies der Fall ist Wir sehen darin nicht den Beginn einer Massenflucht. Da sich die geopolitischen Grenzen jedoch verschärfen, wird die Entscheidung des IStGH möglicherweise nicht als isoliertes Ereignis in Erinnerung bleiben, sondern als frühe Erschütterung, die einen viel größeren Wandel in der globalen Technologielandschaft ankündigt.